Fuck you, Emoji! (und was Liebe damit zu tun hat)

Niklis, Martina-Riccarda
3 min readJun 24, 2020

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„Ich hasse es, wenn einzelne Wassertropfen an meinem Unterarm in Richtung Ellenbogen laufen, wenn ich über dem Waschbecken mein Gesicht wasche. Ich hasse das!“

„Ich hasse es, wenn ich eine Latte Macchiato bestelle und der Kaffee und die Milch sind schon verrührt, wenn der Kellner sie mir bringt. Ich hasse das!“

„Ich hasse diese Papieraufkleber auf dem Brotlaib!“

„Ich hasse es, wenn Männer lange Fingernägel haben!“

Wenn man sich mit Menschen unterhält, hört man solche Sätze manchmal. Wenn man in das Gesicht eines Menschen schaut, der gerade erklärt, dass er es hasst, wenn die Sahne auf dem Kuchen serviert wird und nicht neben dem Kuchen, kann man sich oft wundern. Denn viele Menschen lachen dabei. Sie benutzen das Wort „Hass“ und lachen dabei.

Alle Beispiele, die ich oben genannt habe, sind Kleinigkeiten. Lappalien. Sie sind alle nicht wichtig. Man kann natürlich darüber reden. Man kann es aber auch lassen.

Hass ist ein starkes Wort. Der Satz: Ich hasse dich! Drückt in unserem Sprachgebrauch maximale Abneigung aus. Wenn man diesen Satz zu jemandem sagt, lacht man nicht. Und das Gefühl, das mit diesem Satz verbunden ist, ist Wut. Viel Wut, große Wut.

Im Zusammenhang mit dem Latte Macchiato, wäre es vielleicht angemessener zu sagen: „Ich mag es nicht, wenn ich eine Latte Macchiato bestelle und der Kaffee und die Milch sind schon verrührt, wenn der Kellner sie mir bringt.“

Das Wort Hass ist angemessen bei Aussagen wie: „Ich hasse es, wenn meine Schwester auf offener Straße erschossen wird.“

Ich glaube, in unserer Kultur gibt es eine tiefe Sehnsucht danach, Gefühle auszudrücken. Ich habe im Rahmen eines Experimentes letztes Jahr Menschen interviewt. Zum Teil habe ich sie einfach auf der Straße oder im Café angesprochen. Es waren Menschen, die ein Tattoo hatten und ich stellte ihnen immer dieselben Fragen zu dem ersten Tattoo, dass sie sich hatten stechen lassen. Meine letzte Frage war immer: „Stellen Sie sich vor, ich gebe Ihnen jetzt 4 Spielkarten in die Hand, jede Spielkarte steht für eines dieser 4 Gefühle (Angst, Wut, Traurigkeit, Freude). Welche Spielkarte legen Sie auf den Tisch, wenn Sie an Ihr Tattoo denken?“

Ich war erstaunt, wie gerne wildfremde Menschen mit mir über ihre Gefühle gesprochen haben. Fast alle hatten das Tattoo in einer Zeit stechen lassen, als große Umbrüche in ihrem Leben anstanden, die mit starken Gefühlen verbunden waren. Es kam mir fast so vor, als sei das Tattoo ein eingefrorenes Gefühl. Oder ein Tor zu den Gefühlen, die damals aktuell waren.

Oder nehmen wir das Thema Emojis.

Was ist ein Emoji? Ein Emoji ist ein Piktogramm, das Gefühlslagen ausdrückt. Wie praktisch! Gerade in solchen Blitzkonversations-Foren wie WhatsApp. Wenn man da am Schluss einer Nachricht nicht mindestens ein Smiley verwendet, gilt man fast schon als unhöflich.

Ich fühle Wut, dass Emojis verwendet werden, anstatt zu sagen, was man fühlt. Ich fühle Wut, weil wir immer nur versuchen, gut auszusehen, sogar dann wenn wir wütend sind. Wenn ich wütend bin, verzerrt sich mein Gesicht. Es wird zu einem einzigen Schrei. Wenn ich wütend bin, spucke ich Feuer, dass alles verbrennt, dass mir nahe kommt. Wenn ich wütend bin, hast du keine Chance. Ich zerreiße dich mit meinen bloßen Händen in Luft. Wenn ich wütend bin, zerstöre ich dich durch einen einzigen Blick aus meinen Augen!

WIE…VERDAMMT…KANN EIN BESCHISSENES EMOJI AUSDRÜCKEN, DASS ICH WÜTEND BIN???

EXPERIMENT:

Das nächste Mal, wenn du eine Kurznachricht verschickst, verzichte auf Emojis. Wenn du gerne eines verwenden würdest, denke stattdessen darüber nach, was du eigentlich sagen möchtest. Dann schreibe das. Schreibe zum Beispiel: (Ich wollte an dieser Stelle eigentlich ein Smiley-Emoji verwenden. Aber ich habe meine Meinung geändert. Stattdessen möchte ich sagen: Ich liebe dich.)

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Niklis, Martina-Riccarda

Warrioress with those bright principles: Clearity, creation, integrity, incouragement and oneness