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Niklis, Martina-Riccarda
3 min readJan 28, 2021

Es gibt einen Anteil in mir, der weiß, wie die Dinge sind. Der über sich und die Welt und andere Menschen auf eine spezifische und einzigartige Art und Weise denkt. Der glaubt verstanden zu haben, was richtig ist und was falsch. Der beurteilt, bewertet, annimmt und Entscheidungen trifft. Dieser Anteil weiß auch ganz genau, wo man besser nicht hingeht, was man lieber nicht tun sollte, wo es besonders gefährlich ist. Wann es Zeit ist, sich zurückzuziehen oder mit erhobenem Schwert voran zu stürmen. Dieser Teil, der vielleicht auch als Persönlichkeit, Glaubenssystem oder Komfortzone bezeichnet werden kann, wird im Possibility Management Box genannt. Es gibt auch einen Teil in mir, der eigens dafür abgestellt wurde, diese Box zu sichern und zu schützen. Es ist sehr wichtig, dass das funktioniert, denn dahinter steckt die Strategie des Überlebens, die sich gebildet hat, als ich ein kleines Kind war. Das bedeutet, dass dieser Ich-Anteil (der Gremlin genannt wird) dafür gesorgt hat, dass ich überlebe und immer noch da bin. Beispiel: Als Kind hast du die Erfahrung gemacht, dass es niemanden interessiert, was du möchtest. Du hast so gelernt, alle Wünsche, alles Begehren, alles was wichtig ist für dich, zu verstecken und es nicht zu sagen. Wenn ein Wunsch von dir neben den Wünschen anderer im Raum steht (zum Beispiel, weil ihr in der Familie überlegt, was ihr mit dem Lottogewinn von 100.000 machen sollt), ordnest du dich unter. Dein Gremlin sagt: „Es ist nicht so wichtig, was du möchtest…es könnte gefährlich sein, es zu sagen…dein Mann könnte dich für maßlos und verschwenderisch halten. Lass ihn entscheiden, dann bist du auch nicht verantwortlich, wenn es später schiefgeht!“

Ich dachte für etwa zwei Jahre, dass mein Gremlin den Namen Blood trägt. Dass er ein wilder Kerl ist, der kleine Tiere zum Frühstück auseinander reißt, um sie zu verspeisen. Der verbal sehr unflätig und sehr aggressiv ist und andere Menschen beleidigt. Es hat ihm Spaß gemacht, dass ich es so sah. Eigentlich bin ich von ganz anderen Voraussetzungen ausgegangen, was ihn betraf. Dieser coole wilde Typ wäre mir auch lieber gewesen. Allerdings konnte dieser Anteil munter die Zügel in der Hand behalten, während ich ihn nicht erkannt habe. Es ist ungefähr so, wie wenn jemand zu dir sagt: „Schau, da kommt der Zug!“ (Er zeigt auch noch in die Richtung, aus der der Zug kommt, aber du schaust genau in die andere Richtung.) Weil du nicht zugeben willst, dass du nichts siehst, sagst du: „Ahh…ja…ich sehe ihn!“ (Das ist übrigens gefährlich, dieses Beispiel mit dem Zug zeigt, wie gefährlich es ist, nicht in die richtige Richtung zu blicken! Man kann sich ja denken, was da alles passieren kann mit so einem Zug, den man nicht sieht.)

Wie auch immer: der Name meines Gremlin ist nicht Blood. Er heißt Anton. Anton ist ein Verwalter. Ein ziemlich deutscher Charakter. Ein Kontrolleur. Er ist gewissenhaft, pünktlich, loyal, gut ausgebildet, begabt und behält den Überblick. Er macht gerne die Haare aus der Bürste (jedes verdammte Haar) und richtet den Teppich an der Fliesenkante aus. Er denkt hierarchisch. Wenn jemand im Raum ist, der überlegener ist, versteckt er sich gerne. Wenn er hingegen denkt, er ist der Überlegene, spielt er sich auf und wirkt ein bisschen arrogant. Anton hasst Partys und wenn nicht klar ist, was als nächstes zu tun ist, wird er nervös und ungeduldig. Dann wird er auch gerne mal laut und regt sich auf. Oder er gibt vor, sich zu langweilen. Eigentlich hat er aber Angst, weil er nicht weiß, was gleich passiert und somit seinen Kontrolleurs-Job nicht ausüben kann.

Ich habe gerade erst damit begonnen, Anton kennen zu lernen. Wie lange dauert es, einen anderen Menschen kennen zu lernen? Ich denke, schon mindestens ein paar Monate oder auch ein bis zwei Jahre. Das geht also nicht von heute auf morgen. Ich habe Anton übrigens einen Job gegeben (es ist besser, wenn ich ihm sage, was er tun soll. Er macht sonst seinen Job und verhindert, dass ich meine Box verlasse): Er spürt andere Gremlins auf und zeigt sie mir. Das macht er exzellent gut, denn es entspricht ihm sehr. Es könnte also sein, dass Anton mir auch einen Hinweis darauf gibt, wo dein Gremlin steckt und welchem Job er nachgeht seit Jahrzehnten um zu verhindern, dass du deine Komfortzone (Box) verlässt. Aber das nur am Rande…

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Niklis, Martina-Riccarda

Warrioress with those bright principles: Clearity, creation, integrity, incouragement and oneness